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Eine Reise durch Westeros

2 Mai

2018 – NORDIRLAND – Belfast ist eine Reise wert – und dient zugleich als Ausgangspunkt für Ausflüge in die Umgebung. In dieser Hinsicht hat der Besucher das Glück, dass Nordirland nicht allzu groß ist und mit wunderschöner Landschaft, langer Küstenlinie und ganz besonderen Zielen aufwarten kann. Besonderer Tipp: Mal auf den Spuren des Fantasy-Epos „Game of Thrones“ wandeln. Aber Achtung: Spoileralarm für alle, die die Serie noch nicht ganz gesehen haben!

Eins steht bei der Buchung unserer Belfast-Reise gleich mal fest: Wenn schon Nordirland, dann wollen wir auch auf den Spuren der HBO-Serie „Game of Thrones“ wandeln. Das Epos wurde überwiegend in den „Titanic Studios“ in Belfast und in der schönen irischen Landschaft gedreht – ein „Best of“ dieses einmaligen Landstrichs, könnte man sagen.

Drei Touren stehen beim Top-Anbieter „Game of Thrones Tours“ zur Wahl. Wir entscheiden uns für die Tour zu den „Eiseninseln“. Und so starten wir an einem hochnebligen Morgen Mitte April um 8 Uhr mit dem Bus in unser Abenteuer. Mit uns fahren weitere Thronies, die aus aller Herren Länder angereist sind: China, England, USA, Frankreich… und natürlich unser Tourguide Thorn, der aussieht wie ein waschechter Wikinger (oder Wildling) mit seinem langen Bart und dem Zopf, der ihm über den seitlich kahlrasierten Schädel fällt. In der Tat: Thorn ist in seiner Freizeit Mitglied einer Wikinger-Living-History-Gruppe und wurde dank seines Aussehens auch prompt als Statist für „Game of Thrones“ angeheuert.

Zu unserem großen Glück entpuppt sich Thorn auch als eloquenter Guide, der uns auf der Fahrt mit kleinen Anekdoten aus der Welt des Films unterhält und nebenbei einige Geschichten aus Nordirlands Vergangenheit und Sagenwelt auf Lager hat. Es geht raus aus der Stadt und an der Küste entlang. Die Causeway Coastal Route gilt als eine der schönsten Küstenstraßen der Welt. Vorbei geht die Fahrt am imposanten Carrickfergus Castle, einer Burg im normannischen Baustil. Hier fand George Martin Gerüchten zufolge das Vorbild für das Geschlecht der Lannisters – ja, hier geht es schließlich um „Game of Thrones“! Auch „die Mauer“ ist kurz aus dem Busfenster zu sehen. Anhalten dürfen wir an dieser Stelle nicht, da sich in der Vergangenheit zu viele Auffahrunfälle durch Thronies ereignet haben.

Glencoy ist Braavos! Hier kletterte Arya nach einer Messerattacke wieder an Land.

Erster Stopp ist der malerische kleine Hafen Glencoy. Hier wurde die Szene gedreht, in der die Stark-Tochter Arya nach einer fiesen Messerattacke und anschließendem Fall ins Hafenbecken über eine kleine Natursteintreppe wieder an Land klettert. Drei Tage à sechs Stunden habe man die nur wenige Sekunden dauernde Szene gedreht, erfahren wir. Das arme Kind – selbst im Sommer weist der Nordatlantik hier trotz Golfstrom keine kuscheligen Temperaturen auf. Einige unserer Mitreisenden schießen lustige Selfies, dann geht die Fahrt weiter.

Der Eingang zur Cusheden Cave.

Nächster Stopp: Melisandres Höhle. Wir erinnern uns an die „Rote Priesterin“, die gerne auch mal ihr unbequeme Menschen abfackelt und schließlich den Top-Konkurrenten ihres Wunschkönigs Stannis Baratheon, nämlich dessen Bruder Renley, auf fiese Weise aus dem Weg schafft – mit Hilfe eines in eben dieser Höhle geborenen Schattenbabys. Bei Tageslicht wirkt die Höhle nicht wirklich furchteinflößend, aber imposant. Wellen klatschen wild zwischen den Felsen ans Ufer, und fast meint man, das Boot mit Sir Davos und Melisandre käme gleich um die Ecke gerudert. Unser Guide erzählt uns, dass die Gesteinsart der Höhle etwas ganz Besonderes sei – der Location Scout, der sie gefunden hat, wurde sicher dafür gelobt.

In schwindelerregender Höhe geht es über die Carrick-a-rede-rope-bridge.

Schon jetzt hat uns die spektakuläre Landschaft zwischen schroffen grünen Hügeln und atemberaubender Küstenlinie in ihren Bann geschlagen – eine Serie, die hier gedreht wird, muss ja zum Erfolg werden, ist quasi ein Selbstläufer. Doch es kommt noch besser: Die Carrick-a-Rede-Rope-Bridge naht! Wir wandern rund zehn Minuten an der Küste entlang bis zum Eingang zu der Seilbrücke, die ursprünglich von Fischern gespannt wurde, um zur vorgelagerten Insel – Carrick-a-Rede – zu gelangen. 20 Meter lang ist die solide wirkende Brücke, 30 Meter tief ist der Abgrund darunter, wo die Gischt durch die Felsen brodelt. Wider Erwarten macht es uns aber gar nichts aus, das Gebilde zu überqueren, im Gegenteil: Ich zumindest wäre gerne nochmal drübergelaufen und hätte mir die Sache gerne noch in Ruhe angeschaut. Die Seilbrücke in der HBO-Serie ist übrigens nur ein Nachbau, der im Studio stand, erfahren wir. Praktisch – sonst hätte man dieses Ausflugsziel während der Dreharbeiten wohl sperren müssen. Gleich auf der anderen Seite der Straße liegt übrigens Renleys Feldcamp, wo sich Brianne von Tart im Kampf gegen Renleys Lover Ser Loras beweist und erste Kontakte zu Catelyn Stark knüpft.

Willkommen auf den Eiseninseln: Ballintoy Harbour.

Immer wieder mal gesperrt wegen Filmaufnahmen wird die Gegend um den urwüchsigen, pittoresken Ballintoy Harbour, der sich ganz in der Nähe der Seilbrücke befindet. Hier landet Theon Graufreud bei seiner Rückkehr auf die Eiseninseln an und trifft auf seine Schwester Yara. Der Ort fährt alles an Charme-Offensive auf, was die nordirische Küste zu bieten hat: malerisches Hafenbecken, feiner Sandstrand, wilde Wellen, imposante Klippen… und als wäre das nicht genug, öffnen Thorn und Busfahrer Paul ihre „Zauberkisten“, die den ganzen Weg von Belfast im Gepäckraum des Busses mitgereist sind. Partytime! Jeder schnappt sich ein Kostüm und verwandelt sich in einen Eisenmann beziehungsweise eine Eisenfrau. Dazu gibt’s echte, wenn auch etwas rostige Schwerter und Flügeläxte.

Im Vorfeld wurde daheim in Deutschland heftig darüber diskutiert, ob man „diesen Hokuspokus“ mitmachen wird. Der Tenor: „Wir sind doch nicht bescheuert! Auf keinen Fall!“ Soweit die Theorie. In der Praxis reihen wir uns flugs ein, um ein passendes Kostüm zu ergattern. Die Männer prüfen mit grenzdebilem Lächeln im Gesicht ihre Waffen und beginnen schon mal mit den Showkämpfen. Unser Guide macht ein Gruppenbild, alle schreien: „Für Yara!“ Klar, wer will schon ein Anhänger des Fieslings Euron sein! Ich wende mich an Thorn und meine fast schon entschuldigend: „Ich komme mir vor wie ein Nerd.“ Der grinst nur. „Wenn Du hier bist, musst Du das einfach machen.“ So ist es. Mir doch wurscht, was andere denken! Hier macht jedenfalls jeder mit, und Zuschauer gibt es (zum Glück) keine.

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Tür Nummer sechs: den Drachen gewidmet.

Mittagspause. Wir kehren ein im „Fullerton Arms“. Dort hat man den Ansturm von 30 Buspassagieren schon erwartet – unser Guide hat das Essen nach Wahl vom Bus aus vorbestellt, und die freundlichen Bedienungen servieren das Essen im Handumdrehen. Die Qualität ist gut, und innerlich nimmt man sich schon vor, beim nächsten Nordirlandbesuch hier nochmals einzukehren. Beim nächsten Besuch? Ja, klar. Schon jetzt weiß man, dass man wiederkommt. Mit mehr Zeit im Gepäck, um all die schönen Fleckchen in Ruhe zu erkunden. Das „Fullerton Arms“ kann übrigens mit einer der zehn bekannten „Game of Thrones“-Türen aufwarten, die man in nordirischen Pubs verteilt findet. Die Geschichte dahinter: Im Januar 2016 fielen zwei Bäume der „Dark Hedges“, einem weiteren Drehort, dem Sturm „Gertrude“ zum Opfer. Aus dem Holz der Bäume wurden zehn Türen geschnitzt, die Motive aus der Serie zeigen. Tür Nummer sechs im „Fullerton Arms“ ist den Drachen gewidmet.

Unsere nächste Station hat ausnahmsweise nichts mit der Serie zu tun. Dennoch ist der „Giant’s Causeway“ ein Ort, den man einfach nicht auslässt, wenn man schon in der Gegend ist, finden die Veranstalter – zu Recht. Zwar haben wir nicht viel Zeit, doch für einen Spaziergang vom Visitor Center hinab zu der bizarren Gesteinsformation mit über 40.000 Basaltsäulen, die zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Auch wenn Geologen das Phänomen auf schnell abkühlende Lava zurückführen – wir hören doch lieber die Sage des irischen Riesen Fionn, der sich mit dem schottischen Benandonner zoffte, woraufhin dieser den Causeway schuf, um trockenen Fußes übers Meer zu gelangen.

Mystisch trotz Asphalt und Touristen: die „Dark Hedges“.

Unsere Tour ist fast zu Ende. Doch ein Highlight erwartet uns noch: die „Dark Hedges“, die zwar nur einen kurzen, aber einprägsamen Auftritt in „Game of Thrones“ haben: Sie stellen ein Stück des Königswegs dar, der sich von Königsmund bis an die Mauer zieht. Die mystisch gewachsenen Alleebäume haben trotz des Asphalts auf dem Boden und den Touristen dennoch die gleiche Strahlkraft wie auf den zahlreichen Fotos, die von ihnen mittlerweile im Netz kursieren. Und Thorn erzählt uns nebenbei, dass er in der Szene, in der Arya nach der Ermordung ihres Vaters durch König Geoffry aus der Hauptstadt flüchten muss, auch zu sehen ist: als Bauer, der neben dem Weg auf dem Feld arbeitet.

Auf der Rückfahrt sind im Bus alle recht schweigsam. Die Eindrücke wirken nach, und die gute frische irische Luft macht wohl auch müde. Eins eint uns aber sicherlich: Der Trip durch Westeros, beziehungsweise sein Alter ego Nordirland, hat sich gelohnt. Und wird es wieder tun – der nächste Urlaub ist in Planung, und die Stadt lassen wir dann einfach außen vor. (bb)

Belfasts Aufbruch lohnt den Besuch

2 Mai

2018 – BELFAST – „Woher kommt Ihr“, will der Taxifahrer am Flughafen wissen. Deutschland? Super – „You will like the City!“ Die Belfaster seien freundlich zu fast jedem – außer zu den Engländern. Auch im zwanzigsten Jahr nach Ende des Bürgerkriegs sind die Gräben noch tief, die jahrzehntelange Feindschaft ins Land gezogen haben.

Wer nicht an der Oberfläche kratzt, kann sich jedoch unbeschwert durch die Stadt bewegen. Belfast beherrscht die Kunst, offensiv mit der eigenen blutigen Vergangenheit umzugehen: Zahlreiche Anbieter führen Touren zu den Brennpunkten der Stadt an. Shankhill, Falls, Sandy Row… Wandgemälde zeugen von altem Hass und Gewalt – und sind zugleich wunderschön. Offiziell sind die „Troubles“, die ab Ende der 60er-Jahre die Stadt zeichneten, vorbei. Doch Liebe ist aus dem Waffenstillstand zwischen Loyalisten und Republikanern noch lange nicht erwachsen.

Wandgemälde bei Kelly’s Cellars.

Zwei Welten – eine Stadt

So wie die politischen Gräben verlaufen auch die Unterschiede zwischen Arm und Reich, zwischen sorgloser Touristen-Tour und dem Kampf ums tägliche Überleben: Neben dem schicken Einkaufscenter am Victoria Square sitzt eine Jugendliche an die Mauer eines Hauses gekauert. Schmuddlige Kleidung, verlorener Blick. Eine Ausreißerin, auf der Suche nach einem besseren Leben in der großen Stadt? Nebenan shoppen die, deren Portemonnaie voll ist, sorglos schicke Kleidung, drücken sich übergewichtige Mädchen in schlecht sitzenden Leggins in Fastfood-Tempel, wo Burger nach amerikanischer Art angepriesen werden.

Protestanten und Katholiken, Arm und Reich, Sonne und Regen: Welcome to Belfast. Es ist eine Stadt zwischen viktorianischem Charme und irischer Gelassenheit. Ein idealer Ort für eine Städtereise für alle, denen London zu groß ist und die sich trotzdem nicht langweilen wollen. Das gelingt Nordirlands Hauptstadt spielend.

„Docklands“ und Titanic-Feeling

Hier wurde das wohl berühmteste Passagierschiff aller Zeiten gebaut – großer Jubel, große Katastrophe. Als der Frieden auf Belfasts Straßen einkehrte, begann die Stadt, touristische Konzepte zu entwickeln. Was lag näher, als den immer wiederkehrenden Hype um die 1912 gesunkene Titanic ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken?

Beeindruckend: Das interaktive Museum „Titanic Experience“.

Zum 100. Jahrtag der Katastrophe wurde 2012 ein modernes, interaktives Museum an den Docks errichtet, das seither Besucher aus aller Welt anzieht. Wer sich Zeit lässt, kann hier nicht nur etwas über das Schiff und seine Geschichte erfahren, sondern auch über die Entwicklung der nordirischen Hauptstadt, die einst Zentrum der Flachsverarbeitung war. Einen Spaziergang entfernt liegen das Pumphaus und Titanic-Dock, das einen Eindruck von der Größe des Schiffs vermittelt.

Direkt hinter dem Museum liegt der zweite Besuchermagnet Belfasts: In den Titanic-Studios wird das Fantasy-Epos „Game of Thrones“ gedreht. Längst bieten zahlreiche Anbieter Touren zu den Drehorten an, die in ganz Nordirland verstreut liegen. Das Konzept geht auf: Bis aus Nordamerika, Asien oder Australien reisen „Thronies“ an, um einmal das Schwert zu schwingen wie ihre Helden, um dort zu stehen, wo die Schauspieler ihre kunstblutigen Kämpfe ausfechten. Atemberaubende Landschaften, malerische Höhlen, Schlösser und Bäume liefern den Beweis, dass es für die Serie keine schönere Kulisse geben könnte als den rauen Nordzipfel der irischen Insel (siehe extra Artikel).

Bekannteste Produktion aus den „Titanic Studios“ in Belfast dürfte das Fantasy-Epos „Game of Thrones“ sein, dessen finale Staffel derzeit dort produziert wird.

Belfast hat für alle etwas zu bieten: für Frühaufsteher, für Nachtschwärmer, für Kunstbeflissene, für Menschen, die sich einfach nur durch die Stadt treiben lassen wollen.

Zeitgeschichte spannend erzählt

Und sollte das Wetter einmal nicht so gut sein (was in Nordirland eher die Regel als die Ausnahme sein könnte), drängt sich ein Besuch im Ulster-Museum geradezu auf: Eintritt frei! Auf mehreren, verschachtelt angeordneten Stockwerken kann man hier der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Belfasts und Nordirlands nachspüren – und darüber hinaus. Das reicht von riesigen Saurierskeletten über eine echte ägyptische Mumie, Kunst und ausgestopfte Tiere bis hin zum rund 77 Meter langen Wandteppich, der die Geschichte des Fantasy-Epos „Game of Thrones“ in handgewebten Bildern erzählt.

Im Ulster-Museum kann man mehr über die Hintergründe und Folgen der „Troubles“ erfahren.

Beeindruckend ist die Abteilung, die sich mit den „Troubles“ beschäftigt und anhand von Einzelschicksalen das ganze Elend des Bürgerkriegs verdeutlicht und persönlich macht. Wer die Ausstellung in Ruhe erkundet, versteht, warum es noch viele Jahre dauern wird, bis die Menschen in diesem Land die blutigen Zeiten verarbeitet haben werden. Das Museum liegt im Botanischen Garten der Stadt und ist umgeben von blühenden Gartenanlagen.

Quasi in direkter Nachbarschaft liegt das „Palm House“, in dessen tropischen Temperaturen exotische Pflanzen gedeihen und schon im frühen April Narzissen, Osterglocken und weitere Frühlingsblumen einen betörenden Duft verströmen. „Mummy, it smells so good“, ruft denn auch ein kleines Mädchen beim Betreten des imposanten Baus. Erst im April nach einer gründlichen Renovierung wiedereröffnet hat die „Tropische Schlucht“ („Tropical Ravine“), ein Gebäude, unterteilt in eine tropische und eine subtropische Zone. Hier gibt es einen Wasserfall, man kann probeschnuppern an Gefäßen mit Kakao oder Kaffee – ein Fest für Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Bei Sonnenschein laden Parkbänke und Rasenflächen in der Gartenanlage zum Spazierengehen und Verweilen ein,

Belfasts grüne Lunge: die Botanic Gardens mit dem Palmhaus aus dem 19. Jahrhundert.

und mit etwas Glück bekommt man die grauen Eichhörnchen zu Gesicht, die an den großen alten Bäumen auf- und abflitzen.

Unterwegs im „London Cab“

In Belfast gibt es keine U- oder S-Bahn. Dafür ist das Busnetz sehr gut ausgebaut, allerdings muss man meist umsteigen, wenn man in ein anderes Stadtviertel will. Wer Zeit hat, geht zu Fuß – und wer’s bequem will, leistet sich eine Fahrt mit einem der rund 1000 Taxis in der Stadt. Entweder man bestellt sich telefonisch eins bei einer der größeren Gesellschaften („Value Cabs“/“Fonacab“), oder man steigt in eins der an mehreren Stellen in der Stadt geparkten „London Cabs“, die berühmten schwarzen City-Taxis aus der britischen Hauptstadt, die während der „Troubles“ dafür sorgten, dass der öffentliche Verkehr in Belfast überhaupt aufrecht erhalten werden konnte. Mittlerweile sind einige dieser Autos in bunten Farben bemalt, sodass sie sich vom englischen Vorbild quasi emanzipiert haben. Taxifahren ist günstig, vor allem, wenn sich vier oder fünf Personen eins teilen (für umgerechnet rund zehn Euro kommt man meist durch die Stadt) und macht Spaß, denn die Fahrer sind auskunftsfreudig und geben gerne auch gute Tipps, was man unternehmen kann.

Pub-Besuch ist fast schon Pflicht

Das betrifft auch die Abendgestaltung. „Go to Kelly’s Cellars„, empfiehlt ein gut gelaunter alter Ire und verspricht Livemusik und tolle Atmosphäre. Der Pub, einer der ältesten in Belfast, hält das Versprochene. Von außen unspektakulär in der Nachbarschaft des modernen „Castle Court“-Einkaufscenters gelegen, entpuppt er sich im Innern als urige Location mit schweren dunklen Holztischen und einer Decken-Deko aus Pfannen und Töpfen. Dazu gibt’s irische Folkmusik, wahlweise aus Lautsprechern oder live, je nach dem Zeitpunkt des Besuchs.

Guter Tipp für einen Pub-Besuch: „Kelly’s Cellars“ bietet original irisches Ambiente.

Ebenfalls einen Abstecher wert ist der „Crown Liquor Saloon“ in der Nähe der Großen Oper. Dieser Pub erstrahlt nach einer Renovierung durch den „National Trust“ in den 80er-Jahren in neuem viktorianischen Glanz. Hier gibt es sogenannte „Snugs“, abgetrennte Sitzabteile, in die man sich zurückziehen kann.

Belfast blüht auf, und die Stadt – nein, ganz Nordirland – hat es verdient. Die Zeiger sind in Richtung Zukunft gerichtet, die Touristen kommen, und sie dürften nicht enttäuscht sein. Nun fehlt nur noch eine bessere Anbindung durch Direktflüge aus Deutschland. Hier fehlt es noch; die Anreise muss entweder mittels Umsteigeverbindung über Großbritannien oder Amsterdam erfolgen oder via Flug nach Dublin, von wo aus es dann mit Bus, Bahn oder Leihwagen weiter geht. Wer dies in Kauf nimmt, wird belohnt mit einer unverbrauchten, Besuchern offen stehenden Stadt. (bb)

Wonderful Wild – Südafrika

10 Apr

 

Gesa Neitzel, die Autorin des wunderbaren Buches „Frühstück mit  Elefanten“ war kürzlich auf Lesereise in Deutschland. Weil die Autorin in diversen Talkshows so faszinierend von ihrem neuen Leben im südafrikanischen Busch erzählte, musste ich das Buch natürlich unbedingt lesen, und ich war begeistert. Gesa Neitzel nimmt den Leser mit auf ihre Abenteuer, die sie während der Ausbildung zur Safari-Rangerin in Afrika erlebte. Eine sehr unterhaltsame, kurzweilige und auch lehrreiche Lektüre.

Zum Inhalt: „Gesa Neitzel wagt sich von Berlin in den Busch. Ihr Ziel: die Ausbildung zur Safari-Rangerin in Afrika. Das bedeutet fast ein Jahr in einfachen Zeltlagern. Ohne Internet, ohne Badezimmer, ohne Türen ― dafür aber mit Zebras, Erdferkeln und Skorpionen. Die Ausbildungsinhalte bestehen aus Fährtenlesen, Überlebenstraining, Schießübungen. Wie schlägt sich eine junge Frau in dieser fremden Welt? Kann sie sich auf ihre Instinkte verlassen? Funktionieren die eigentlich noch? Sie erzählt von atemberaubenden Begegnungen mit Elefanten und Löwen, vom Barfußlaufen durch die Savanne, von langen Nächten unterm Sternenhimmel ― und von einem Leben, das endlich richtig beginnt.“ (Quelle: Amazon.de)

Mittlerweile arbeitet Gesa Neitzel zusammen mit ihrem Freund Frank als Rangerin in Südafrika. Über ihre Ausflüge in die faszinierende Tierwelt berichten die beiden wöchentlich in der Video-Reihe „SAFARI SUNDAYS“ auf YouTube. (ima)

Gesa Neitzels Blog  |  Facebook | Instagram | YouTube | Safari Frank

Das andere Mallorca

2 Okt

Müde schlappen die jungen Männer in ihren Flip-Flops über die Straße Richtung Meer. Es ist 10.30 Uhr vormittags, und der Hangover der vergangenen Partynacht ist ihnen noch deutlich anzusehen. Vor den Hotelburgen in der zweiten und dritten Strandreihe warten einige Touristen auf ihren Transferbus zum Flughafen – lederbraun gebrannt, die Frauen mit blondiertem Haar, die Männer mit grauem Schnauzbart, in T-Shirt und Shorts.

Willkommen am Ballermann. Man spricht Deutsch, das Angebot der Fressbuden zwischen den Hotels umfasst Weißbier, Grillwurst und Jägerschnitzel. Die pseudoantike Fassade des Mega-Parks prollt wie die Goldkettchen diverser gealterter Partygänger, an der Open-Air-Bar einer Kneipe trinken vereinzelte Urlauber das erste Bier des Tages. Malle ist nur einmal im Jahr – oder wie war das?

„Das ist ein anderes Mallorca“, sagt Maria Magdalena, die Vermieterin unserer Finca. Wahrlich: Hotels sind hier, im Herzen der Insel, fast keine zu finden. Schon gar nicht in Montuiri. Der ländlich geprägte Ort liegt nur 25 Fahrminuten vom Flughafen Palma entfernt – und doch ist dies eine ganz andere Welt als die der Platja de Palma. Son Costa heißt unser Zuhause für eine Woche. Das Anwesen hat 300 Jahre mallorquinische Geschichte gesehen und strahlt selbst Geschichte aus, angefangen bei der langen Zufahrt bis zum großen Holztor, hinter dem sich ein Innenhof verbirgt, gepflastert mit groben Steinen und begrenzt von lauschigen Plätzchen zum Verweilen. Eine Treppe führt am tiefen Brunnen vorbei zur Terrasse im ersten Stock, eine andere zum Eingang ins Hauptgebäude.

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Treppen aus Stein, zum Haus und im Haus. Fast jedes Zimmer ist auf einer anderen Ebene, manche Räume haben keine richtigen Fenster, nur kleine Oberlichter in der hohen Decke. Die Bäder sind gefliest mit traditionellen Keramikplättchen, überall finden sich Zeugnisse der Vergangenheit: alte Möbel, Holzregale, die sich unter der Last der Zeit krümmen, Porzellan, Keramik, Bilder, Gebrauchsgegenstände, Zierrat und mehr. Son Costa erinnert mehr an eine kleine Raubritterburg als an das landwirtschaftliche Anwesen, das es einst war. Hier wurden Oliven zu wertvollem Öl gepresst, und noch heute wird der rückwärtige Teil des Geländes als Bauernhof genutzt.

Neu ist der große Pool, der sich in einem separaten Teil des Gartens befindet, verborgen hinter dicken Steinmauern, auf denen sich Eidechsen wohlfühlen, bewachsen mit Bougainvilleen und umrankt von Efeu, umgeben von Stein und hohen Hecken, hinter denen gelegentlich ein Hund kläfft. Er ruft nach dem Esel. Truc heißt das vier Jahre alte Langohr, das am Ende des Gartens neben dem Feigenbaum am Holzzaun steht und sich freut, wenn der menschliche Besuch vorbeischaut und ihm ein paar Streicheleinheiten verpasst. Hohe Palmen und ein großer Steinturm zieren den großen, grünen Garten, der Ausblick von der Terrasse im ersten Stock zeigt, wie vielseitig und schön die Landschaft ist.

In der Küche dominieren der große dunkle Holztisch, viele traditionelle Keramikschüsseln und -krüge und natürlich das riesige steinerne Spülbecken unter dem Fenster mit den grünen Holzläden. Der Fliesenboden ist alt und birgt, wie das ganze Haus, einen ganz besonderen Charme.

Das andere Mallorca – in der Tat. Der Teil der Insel, wo Zitronen- und Orangenbäume wachsen, ganz zu schweigen von den großen Olivenhainen, und wo man sich für einen kleinen Snack nicht an den Kühlschrank begibt, sondern frische Feigen direkt vom Baum nascht – unglaublich saftig und süß, eine besser als die andere. Ein Landstrich, wo kleine und auch größere Orte in einem Farbton gestrichen zu sein scheinen, einem hellen Gelbbraun. Wo die Zeit jetzt, Ende September, ein bisschen langsamer vergeht als im Hochsommer.

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In Sineu – dem geografischen Mittelpunkt der Baleareninsel – drücken sich die Touristen auf dem großen Wochenmarkt am Mittwochvormittag wie die Heringe in der Büchse zwischen den Ständen hindurch. Kleidung, Leder, Keramik, lange Schnüre mit bunten Peperoni, regionale Lebensmittel vom berühmten Salz des Es Trenc über die würzige Sopresada, eine mit Paprika gewürzte Wurst, hervorragende Weine und leckeren menorquinischen Käse, aber auch Billigschund made in China: alles wird angeboten, was Auge und Herz des Urlaubers begehren. Nur zwei Tage später, an einem Freitagnachmittag, scheint die Innenstadt am Fuße der schönen Kirche verwaist. Ein paar Einheimische trinken Kaffee in der Bar am Marktplatz, ein Touristenpärchen stattet dem Gotteshaus einen Besuch ab. Nicht mal ein Hund kreuzt den Weg, wo zwei Tage zuvor noch tausende Menschen in dichtem Gedränge verweilten.

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Nahe Montuiri liegt die größte Ausgrabungsstätte der talaiotischen Kultur, steinerne Zeugen mächtiger Bauten aus längst vergangener Zeit, Jahrhunderte vor Christus. Wer ein bisschen Muse mitbringt, kann hier, im Herzen der Insel, etwas über die Menschen erfahren, die sich an dieser Stelle vor mehr als 2500 Jahren ansiedelten, die das römische Reich kommen und gehen sahen – und irgendwann wieder vom Bildschirm der Geschichte verschwanden.

Nicht ganz so weit in die Vergangenheit reist man auf Es Calderers, einem Landgut mallorquinischen Adels, das außerhalb des kleinen Fleckens San Joan auf einer Anhöhe liegt und gegen das nötige Kleingeld zum Besuch einlädt. Dieser lohnt sich. Das Anwesen führt den Besucher in eine Zeit zurück, in welcher der Herr von Adel mit der Feder Briefe an seinem hölzernen Sekretär schrieb und Gleichgesinnte zu tiefsinnigen Gesprächen in die Sitzecke seines Arbeitszimmers lud, während die Dame des Hauses die Tage mit Klavierspielen oder Näharbeit verbrachte. Liebevoll gedeckte Tische mit Kristallkelchen, Musikzimmer und Schlafgemache laden zum Entdecken ein. Im Innenhof des Haupthauses lässt es sich wunderbar verweilen zwischen üppigem Grün am Goldfischbecken.

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Auch der Garten des Anwesens ist einen Besuch wert. Große Wasserbecken mit Wasserspeiern, lauschige Sitzplätze unter schattigen Bäumen mit Ausblick auf die umgebende Landschaft, Stallungen mit Tieren vom Huhn über schwarze Schweine, Ziegen und Schafe bis zum Rind sowie Pferdekoppeln zeugen davon, worauf der Adel in früheren Zeiten seinen Wohlstand baute. Wer mag, kann im Weinkeller ein Schlückchen „Vin dolc“ probieren – und Kostproben der hauseigenen und anderer mallorquinischer Produkte als Souvenir mitnehmen.

Son Costa liegt zentral auf der Insel – und dennoch sind es bis zur Küste nicht einmal 40 Autominuten. Zum Beispiel ganz in den Süden: Vom Leuchtturm beim Cap Ses Salines ist es ein rund 20 Minuten dauernder Spaziergang auf dem Küstenpfad bis zum Platja Escaragol, dem Schneckenstrand. Keine Imbissbude weit und breit, kein Hotel verbaut den Blick ins anschließende Naturschutzgebiet. Es gibt nur Dünen, Sand – und Meer, das in verschiedenen Farbtönen schillert. Nur wenige Kilometer weiter erstreckt sich der berühmte Strand „Es Trenc“ an der Südküste Richtung Palma. Dort liegen die Besucher im Sommer Handtuch an Handtuch, während sich die Sonnenhungrigen am Schneckenstrand ihr Plätzchen aussuchen können.

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Ebenfalls unbewirtschaftet und nicht gerade leicht zu finden sind die beiden Buchten Cala s’Almunia und Calos des Moro im Osten Mallorcas. Die winzigen Strände sind naturbelassen und verbunden mit einem Abstieg über 100 Treppenstufen. An deren Fuß steht der Entdecker an der zauberhaften Cala s’Almunia: rechter Hand liegt ein kleiner Strand, linker Hand eine kleine Ansammlung pittoresker Fischerhäuschen, die die Bucht umsäumen. Hier ist das Wasser glasklar und hell, denn auf dem Sandboden reflektiert das Wasser die Sonne. Wer baden möchte, legt seine Kleidung und das Handtuch einfach auf den Bootsslips ab – sollte ein Gefährt zu Wasser gelassen werden, muss man eben seinen Platz räumen. Der Einstieg ins Meer ist verbunden mit einem äußerst rutschigen Zugang über die glitschigen Holz- und Steinbohlen.

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Oberhalb der Häuschen führt ein Pfad durch die Natur auf die andere Seite des Buckels. Dort liegt sie, die vermutlich meistfotografierte Bucht Mallorcas. Die Calos des Moro mit ihrem Miniaturstrand ziert zahlreiche Buchcover und Magazine über die Baleareninsel. Weißer Sand, pittoreske Felsen, eine rote Sandsteinwand und karibisches Wasser: so sehen Urlauberträume aus. Leider sind es nicht gerade wenige Besucher, die den steilen Abstieg in die Bucht wagen. Mit Kind und Kegel, Sonnenschirm und Rucksackvesper erobern sie schon am frühen Morgen den Strand, und spätestens kurz nach 10 Uhr ist auch Ende September alles voll: Handtuch liegt an Handtuch, junge barbusige Frauen filmen sich munter mit Mobiltelefon und Selfiestick im klaren Wasser, besorgte Väter spannen in der Brandung Sonnenschirme auf, um ihren Nachwuchs beim Planschen und Sandburgen bauen vor dem Himmelsgestirn zu schützen. Zeit, zu gehen. Das Gelände oberhalb der Bucht, das sich in Privatbesitz befindet, lädt zu einer kleinen Exkursion ein, die auch herrliche Aussichten über das Meer bietet.

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Noch immer kann man an der Ostküste Mallorcas hübsche Buchten finden, die nicht komplett überlaufen und von Hotelburgen zugebaut sind. Die Cala Murada beispielsweise hat sich ihren Charme erhalten. Auch sie wird gesäumt von Apartmentanlagen, doch diese schmiegen sich gefällig in die Landschaft, ohne groß zu stören. In der Strandbar gibt es Tapas, wer mag, kann sich am Wasser wahlweise Liegestühle und Strandschirm leihen oder es sich auf seinem eigenen Handtuch bequem machen.

Einen Abstecher wert ist auch die Cala Figuera. Hier gibt es zwar keinen Strand, doch Mutige können sich von hohen Felsen ins Meer stürzen. Wie ein kleiner Fjord frisst sich das Mittelmeer hier ins Festland; von den Terrassen der am Hang gelegenen Restaurants kann man hübsche Segelboote beim Ein- und Auslaufen beobachten.

Am Ende des Tages wartet Son Costa auf seine Bewohner. Hier in Montuiri, wo die Uhren ein bisschen langsamer ticken. „Ein anderes Mallorca“, sagt Maria Magdalena. Sie hat recht. Es ist das Mallorca, das wir gesucht und gefunden haben.

Vier Tage, drei Nächte – Teil 3: Das Paradies bei Sirmione

19 Jun

Traum und Albtraum liegen nahe beieinander in Sirmione, jener Halbinsel im äußersten Süden des Gardasees, welche die Sehnsüchte von Italien-Urlaubern in sich zu vereinen scheint: Kristallklares Wasser, eine schmale Landzunge mit herrlichem Panoramablick zu beiden Seiten, die sich zum Ende hin anhebt und verbreitert und mit einer wunderbaren Altstadt versehen ist. Der Albtraum liegt darin, dass Sirmione zu erfolgreich ist: Tausende Touristen befahren die Landzunge; die Hotels, die zur Linken und zur Rechten liegen, ersticken fast in Abgasen, auf den Fußgängerwegen ist teils kein Durchkommen mehr.

Zum Glück haben die Behörden ein Einsehen und verwehren den Tagestouristen den Zugang zur Altstadt zumindest für den mobilen Untersatz – dieser muss draußen auf dem Sammelparkplatz bleiben. Wer allerdings innerhalb der Stadtmauern wohnt, sieht sich gezwungen, auf den engen Gässchen einen Straßenkampf mit den Fußgängern auszufechten – die Einheimischen etwas forscher, die Besucher zaghaft und mit Panik in den Augen. Quirlige Gässchen, Straßenmusik, Restaurants, Andenkenläden und Eisdielen perfektionieren das Italo-Feeling. Apropos Eisdielen: Die Portionen, die dort ausgegeben werden, sind kaum zu schaffen und ersetzen einen Mahlzeit.

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Auf langen Stegen ins Wasser liegen die Ausflügler und genießen bis in die Abendstunden hinein das warme Juniwetter, im warmen, schwefelhaltigen Thermalwasser, das aus den Quellen um den Inselkopf strömt, planschen Kinder und Erwachsene. Auch die alten Römer wussten das Thermalwasser und die tolle Lage zu schätzen: Am äußersten Nordrand der Insel, an deren höchster Erhebung, kann man heute noch die monumentalen Überreste der „Grotten des Catull“ besichtigen, welche eine riesige Fläche unterhöhlen und die heute teils von Olivenhainen bewachsen sind.

Übernachten auf der Halbinsel? Zu hektisch. Doch ein Glück: Es gibt sie tatsächlich, diese von Menschenhand geschaffenen Orte, die nahezu perfekt sind. Ein solcher liegt einige Kilometer südlich von Simione. Hier haben sich Roberto und Paolo ein kleines Hideaway geschaffen, das sie mit maximal zwölf Gästen in ihrem sechs Zimmer umfassenden Bed & Breakfast teilen.

Doremi lautet der Name des kleinen Anwesens, das die Besitzer vor etwa einem Jahr südlich von Sirmione eröffnet haben. Wer den Rückzugsort vom Alltag betritt, tut dies durch ein großes schmiedeeisernes Tor, das sich auf Eingabe der Zahlenkombination öffnet. Dahinter liegt ein Paradies, das nur einen klitzekleinen Haken hat: Es liegt nah an der Straße – und daher kann man die Autos im von hohen Bäumen und Blühpflanzen umgebenen Garten auch ein wenig hören. Ein kleines Manko, verglichen mit dem, was das Doremi zu bieten hat.

Das Konzept ist durchdacht: Im Herz der Anlage befindet sich der große Pool, schön geschwungen und so unmerklich, aber gewollt in zwei Zonen unterteilt. Darum gruppieren sich mediterrane Pflanzen, Sonnenliegen, Hängematten und -sessel. Ein lieblicher Blumenduft liegt in der Luft. Hier gibt es keinen Kampf um die Liege, denn es sind genauso viele da, wie das B & B Besucher aufnimmt. Ein Teil der Terrasse ist überdacht, geschwungen, elegant, offen, mit großzügigen Sitz- und Liegeflächen, streng im Farbkonzept Schwarz-Weiß gestaltet, mit liebevoll selbst designten Zierkissen mit dem glitzernden Stickwerk „Doremi“.

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Den Namen verdankt das Doremi der Musikleidenschaft seiner Besitzer. Roberto und Paolo spielen zwar nicht selbst, haben aber ihr Herz an die schönen Töne verloren, und das spiegelt sich auch in der Gestaltung der Räumlichkeiten. Im Frühstücksraum glänzt ein schwarzer Flügel, an den Wänden hängen Schallplatten und Gitarren, das „Bitte nicht stören“-Schild ist eine beschriebene CD. Edle Materialien, sorgfältig ausgewählte Dekorationsartikel, eine konsequente, bis ins letzte Detail durchdachte Stillinie überzeugen und machen den Aufenthalt zu etwas Besonderen.

Dazu gehört auch die Begrüßung durch Roberto, der zunächst Espresso und Pralinen serviert – Check-in ist da erstmal nebensächlich. Die Wahl zwischen dem Zimmer zur Poolseite und dem Zimmer zur Gartenseite fällt nicht leicht, doch eindeutig zugunsten des Gartens aus. Der Blick geht auf Hecken und Hügel, Verkehr ist hier kaum zu hören – die gut isolierten Türen und Fenster tun ein Übriges.

Die vier Zimmer gruppieren sich um den Frühstücksraum, eine Wendeltreppe führt hinab in einen Fitnessbereich, mit dem nicht einmal Top-Hotels mithalten können. Muskelfreunde und Ausdauerenthusiasten finden alles, was das Herz begeht, bis hin zu einer kleinen Sauna und einer gemauerten Dusch-Schnecke, das Ganze wird durch liebevolle Dekoration konsequent im Motto „Musik“ umrahmt.

Aber eigentlich will man lieber am Pool relaxen – oder darin. Geschwungen, mit gemauerten kleinen Tritten an mehreren Stellen im Becken, die einen Ausstieg ermöglichen, mit Wassermatratzen und wunderschönen blauen Mosaiksteinchen lädt er zum Erfrischen ein. Im Gebüsch neben dem Pool entdeckt der Gast zunächst einen halben Salatkopf – und dann eine Schildkröte, die den Besucher neugierig beäugt. Es gibt viel zu entdecken. So auch das Goldfischbecken mit den kapitalen Kois, die schmiedeeiserne Sitzecke, viele kleine Nischen, Sichtachsen, Durchblicke und Hingucker.

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Am Morgen erwartet Roberto die Gäste. „Breakfast?“, lautet die Frage. Ja! Gerne! Und was für eins. Das Büffet ist angerichtet – auf dem schwarzen Flügel, und es lockt wie die Musik. Keine ermüdende Auswahl an Produkten, sondern die kleine, feine und sehr persönliche Auswahl: je eine Sorte Käse und Wurst, ansprechend dekoriert unter einer gläsernen Glocke, hausgemachte Kuchen, Croissants, Brötchen, Butter und Marmelade, dazu frisches Obst, Kaffee aus der Presskanne – was will man mehr?

Vielleicht noch einen Tag länger bleiben. Oder wiederkommen. Denn das Doremi ist wirklich ein kleines, feines Paradies. (bb)

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