2018 – NORDIRLAND – Belfast ist eine Reise wert – und dient zugleich als Ausgangspunkt für Ausflüge in die Umgebung. In dieser Hinsicht hat der Besucher das Glück, dass Nordirland nicht allzu groß ist und mit wunderschöner Landschaft, langer Küstenlinie und ganz besonderen Zielen aufwarten kann. Besonderer Tipp: Mal auf den Spuren des Fantasy-Epos „Game of Thrones“ wandeln. Aber Achtung: Spoileralarm für alle, die die Serie noch nicht ganz gesehen haben!
Eins steht bei der Buchung unserer Belfast-Reise gleich mal fest: Wenn schon Nordirland, dann wollen wir auch auf den Spuren der HBO-Serie „Game of Thrones“ wandeln. Das Epos wurde überwiegend in den „Titanic Studios“ in Belfast und in der schönen irischen Landschaft gedreht – ein „Best of“ dieses einmaligen Landstrichs, könnte man sagen.
Drei Touren stehen beim Top-Anbieter „Game of Thrones Tours“ zur Wahl. Wir entscheiden uns für die Tour zu den „Eiseninseln“. Und so starten wir an einem hochnebligen Morgen Mitte April um 8 Uhr mit dem Bus in unser Abenteuer. Mit uns fahren weitere Thronies, die aus aller Herren Länder angereist sind: China, England, USA, Frankreich… und natürlich unser Tourguide Thorn, der aussieht wie ein waschechter Wikinger (oder Wildling) mit seinem langen Bart und dem Zopf, der ihm über den seitlich kahlrasierten Schädel fällt. In der Tat: Thorn ist in seiner Freizeit Mitglied einer Wikinger-Living-History-Gruppe und wurde dank seines Aussehens auch prompt als Statist für „Game of Thrones“ angeheuert.
Zu unserem großen Glück entpuppt sich Thorn auch als eloquenter Guide, der uns auf der Fahrt mit kleinen Anekdoten aus der Welt des Films unterhält und nebenbei einige Geschichten aus Nordirlands Vergangenheit und Sagenwelt auf Lager hat. Es geht raus aus der Stadt und an der Küste entlang. Die Causeway Coastal Route gilt als eine der schönsten Küstenstraßen der Welt. Vorbei geht die Fahrt am imposanten Carrickfergus Castle, einer Burg im normannischen Baustil. Hier fand George Martin Gerüchten zufolge das Vorbild für das Geschlecht der Lannisters – ja, hier geht es schließlich um „Game of Thrones“! Auch „die Mauer“ ist kurz aus dem Busfenster zu sehen. Anhalten dürfen wir an dieser Stelle nicht, da sich in der Vergangenheit zu viele Auffahrunfälle durch Thronies ereignet haben.
Erster Stopp ist der malerische kleine Hafen Glencoy. Hier wurde die Szene gedreht, in der die Stark-Tochter Arya nach einer fiesen Messerattacke und anschließendem Fall ins Hafenbecken über eine kleine Natursteintreppe wieder an Land klettert. Drei Tage à sechs Stunden habe man die nur wenige Sekunden dauernde Szene gedreht, erfahren wir. Das arme Kind – selbst im Sommer weist der Nordatlantik hier trotz Golfstrom keine kuscheligen Temperaturen auf. Einige unserer Mitreisenden schießen lustige Selfies, dann geht die Fahrt weiter.
Nächster Stopp: Melisandres Höhle. Wir erinnern uns an die „Rote Priesterin“, die gerne auch mal ihr unbequeme Menschen abfackelt und schließlich den Top-Konkurrenten ihres Wunschkönigs Stannis Baratheon, nämlich dessen Bruder Renley, auf fiese Weise aus dem Weg schafft – mit Hilfe eines in eben dieser Höhle geborenen Schattenbabys. Bei Tageslicht wirkt die Höhle nicht wirklich furchteinflößend, aber imposant. Wellen klatschen wild zwischen den Felsen ans Ufer, und fast meint man, das Boot mit Sir Davos und Melisandre käme gleich um die Ecke gerudert. Unser Guide erzählt uns, dass die Gesteinsart der Höhle etwas ganz Besonderes sei – der Location Scout, der sie gefunden hat, wurde sicher dafür gelobt.
Schon jetzt hat uns die spektakuläre Landschaft zwischen schroffen grünen Hügeln und atemberaubender Küstenlinie in ihren Bann geschlagen – eine Serie, die hier gedreht wird, muss ja zum Erfolg werden, ist quasi ein Selbstläufer. Doch es kommt noch besser: Die Carrick-a-Rede-Rope-Bridge naht! Wir wandern rund zehn Minuten an der Küste entlang bis zum Eingang zu der Seilbrücke, die ursprünglich von Fischern gespannt wurde, um zur vorgelagerten Insel – Carrick-a-Rede – zu gelangen. 20 Meter lang ist die solide wirkende Brücke, 30 Meter tief ist der Abgrund darunter, wo die Gischt durch die Felsen brodelt. Wider Erwarten macht es uns aber gar nichts aus, das Gebilde zu überqueren, im Gegenteil: Ich zumindest wäre gerne nochmal drübergelaufen und hätte mir die Sache gerne noch in Ruhe angeschaut. Die Seilbrücke in der HBO-Serie ist übrigens nur ein Nachbau, der im Studio stand, erfahren wir. Praktisch – sonst hätte man dieses Ausflugsziel während der Dreharbeiten wohl sperren müssen. Gleich auf der anderen Seite der Straße liegt übrigens Renleys Feldcamp, wo sich Brianne von Tart im Kampf gegen Renleys Lover Ser Loras beweist und erste Kontakte zu Catelyn Stark knüpft.
Immer wieder mal gesperrt wegen Filmaufnahmen wird die Gegend um den urwüchsigen, pittoresken Ballintoy Harbour, der sich ganz in der Nähe der Seilbrücke befindet. Hier landet Theon Graufreud bei seiner Rückkehr auf die Eiseninseln an und trifft auf seine Schwester Yara. Der Ort fährt alles an Charme-Offensive auf, was die nordirische Küste zu bieten hat: malerisches Hafenbecken, feiner Sandstrand, wilde Wellen, imposante Klippen… und als wäre das nicht genug, öffnen Thorn und Busfahrer Paul ihre „Zauberkisten“, die den ganzen Weg von Belfast im Gepäckraum des Busses mitgereist sind. Partytime! Jeder schnappt sich ein Kostüm und verwandelt sich in einen Eisenmann beziehungsweise eine Eisenfrau. Dazu gibt’s echte, wenn auch etwas rostige Schwerter und Flügeläxte.
Im Vorfeld wurde daheim in Deutschland heftig darüber diskutiert, ob man „diesen Hokuspokus“ mitmachen wird. Der Tenor: „Wir sind doch nicht bescheuert! Auf keinen Fall!“ Soweit die Theorie. In der Praxis reihen wir uns flugs ein, um ein passendes Kostüm zu ergattern. Die Männer prüfen mit grenzdebilem Lächeln im Gesicht ihre Waffen und beginnen schon mal mit den Showkämpfen. Unser Guide macht ein Gruppenbild, alle schreien: „Für Yara!“ Klar, wer will schon ein Anhänger des Fieslings Euron sein! Ich wende mich an Thorn und meine fast schon entschuldigend: „Ich komme mir vor wie ein Nerd.“ Der grinst nur. „Wenn Du hier bist, musst Du das einfach machen.“ So ist es. Mir doch wurscht, was andere denken! Hier macht jedenfalls jeder mit, und Zuschauer gibt es (zum Glück) keine.

Tür Nummer sechs: den Drachen gewidmet.
Mittagspause. Wir kehren ein im „Fullerton Arms“. Dort hat man den Ansturm von 30 Buspassagieren schon erwartet – unser Guide hat das Essen nach Wahl vom Bus aus vorbestellt, und die freundlichen Bedienungen servieren das Essen im Handumdrehen. Die Qualität ist gut, und innerlich nimmt man sich schon vor, beim nächsten Nordirlandbesuch hier nochmals einzukehren. Beim nächsten Besuch? Ja, klar. Schon jetzt weiß man, dass man wiederkommt. Mit mehr Zeit im Gepäck, um all die schönen Fleckchen in Ruhe zu erkunden. Das „Fullerton Arms“ kann übrigens mit einer der zehn bekannten „Game of Thrones“-Türen aufwarten, die man in nordirischen Pubs verteilt findet. Die Geschichte dahinter: Im Januar 2016 fielen zwei Bäume der „Dark Hedges“, einem weiteren Drehort, dem Sturm „Gertrude“ zum Opfer. Aus dem Holz der Bäume wurden zehn Türen geschnitzt, die Motive aus der Serie zeigen. Tür Nummer sechs im „Fullerton Arms“ ist den Drachen gewidmet.
Unsere nächste Station hat ausnahmsweise nichts mit der Serie zu tun. Dennoch ist der „Giant’s Causeway“ ein Ort, den man einfach nicht auslässt, wenn man schon in der Gegend ist, finden die Veranstalter – zu Recht. Zwar haben wir nicht viel Zeit, doch für einen Spaziergang vom Visitor Center hinab zu der bizarren Gesteinsformation mit über 40.000 Basaltsäulen, die zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Auch wenn Geologen das Phänomen auf schnell abkühlende Lava zurückführen – wir hören doch lieber die Sage des irischen Riesen Fionn, der sich mit dem schottischen Benandonner zoffte, woraufhin dieser den Causeway schuf, um trockenen Fußes übers Meer zu gelangen.
Unsere Tour ist fast zu Ende. Doch ein Highlight erwartet uns noch: die „Dark Hedges“, die zwar nur einen kurzen, aber einprägsamen Auftritt in „Game of Thrones“ haben: Sie stellen ein Stück des Königswegs dar, der sich von Königsmund bis an die Mauer zieht. Die mystisch gewachsenen Alleebäume haben trotz des Asphalts auf dem Boden und den Touristen dennoch die gleiche Strahlkraft wie auf den zahlreichen Fotos, die von ihnen mittlerweile im Netz kursieren. Und Thorn erzählt uns nebenbei, dass er in der Szene, in der Arya nach der Ermordung ihres Vaters durch König Geoffry aus der Hauptstadt flüchten muss, auch zu sehen ist: als Bauer, der neben dem Weg auf dem Feld arbeitet.
Auf der Rückfahrt sind im Bus alle recht schweigsam. Die Eindrücke wirken nach, und die gute frische irische Luft macht wohl auch müde. Eins eint uns aber sicherlich: Der Trip durch Westeros, beziehungsweise sein Alter ego Nordirland, hat sich gelohnt. Und wird es wieder tun – der nächste Urlaub ist in Planung, und die Stadt lassen wir dann einfach außen vor. (bb)