Archiv | Mai, 2014

Friedrich-Glauser-Preis 2014 für Judith W. TASCHLER: Die Deutschlehrerin

28 Mai
(c) Picus Verlag

(c) Picus Verlag

Picus, 2013 – Mathilda ist „Die Deutschlehrerin“,
Anfang 50, überdurchschnittlich engagiert und bei den Schülerinnen ihres Innsbrucker Gymnasiums ausgesprochen beliebt. Mit ihrem Oberstufen-Kurs bewirbt sie sich für ein interessantes Schulprojekt, bei dem die Mädchen für eine Woche mit einem Schriftsteller arbeiten dürfen. Überraschung und Freude sind groß, als sie tatsächlich einen Workshop mit einem berühmten Jugendbuchautor gewinnen. Für Mathilda ist es allerdings ein Schock, als sie erfährt, um wen es sich dabei handelt, denn sie kennt Xaver Sand. Sie kennt ihn sogar sehr gut. 15 Jahre war sie mit ihm liiert, sie lebten zusammen in einer schönen Wohnung, und Mathilda dachte, sie sei glücklich und es wäre für „immer“, als Xaver sie aus heiterem Himmel verließ. Eines Abends kam Mathilda heim, und er war weg. Hatte still und heimlich seine Sachen zusammengepackt und sich aus dem Staub gemacht. Natürlich wegen einer anderen Frau. Mathilda erfuhr es aus der Klatschpresse „Erfolgreicher Schriftsteller heiratet Millionenerbin.“ Sie blieb dagegen bis heute alleine.

Und nun tritt Xaver nach weiteren 15 Jahren wieder in ihr Leben. Wie soll sie damit umgehen? Ihr Kontakt beginnt mit harmlosen E-Mails, dann treffen sie sich zu einem Vorbereitungsgespräch. Während Mathilda nach all der Zeit immer noch tief verletzt ist, scheint Xaver ehrlich erfreut über ihre zufällige Wiederbegegnung, flirtet sogar ungeniert mit ihr. Sie beginnen einander zu erzählen, von ihrem jetzigen Leben, aber auch davon, wie sie ihre gemeinsame Zeit erlebt haben – und ihre Versionen decken sich keineswegs. Das Scheitern ihrer Beziehung hatte viele Gründe. Mathilda wollte ein Kind, Xaver nicht. Ein Kind bekam er dann allerdings sofort mit der anderen Frau, und dieses Kind wurde im Alter von zwei Jahren entführt und nie wieder gefunden. Seine Ehe scheiterte, Xavers Stern als Schriftsteller ging unter. Was aber ist mit dem kleinen Jakob geschehen? Eine Frage, die sich zum Dreh und Angelpunkt dieses Romans entwickelt, denn Mathilda erzählt Xaver eine lange Geschichte. Erzählen konnte sie immer schon gut, schreiben auch, Xaver weiß das…Doch diese Geschichte ist anders, bedrohlich, beängstigend. Eine Geschichte darüber, was mit Jakob passiert sein könnte – und sie erzählt sie so realistisch, dass Xaver nicht mehr weiß, ob sie fantasiert oder die Wahrheit sagt. Eine Wahrheit, von der er glaubte, sie als einziger zu kennen.

Die subtile Spannung in diesem Buch ist beklemmend und wurde von Judith Taschler mit berückender Sprachkunst eingefangen. Sie wählt vielfältige Formen und unterschiedliche Perspektiven, um den Leser immer wieder neu zu informieren und gleichzeitig immer mehr zu verwirren, genauso, wie es Mathilda mit Xaver macht. Es bleibt unklar, ob sie ihm helfen, ob sie ihn quälen oder sich an ihm rächen will. In Gesprächen, Rückblenden, Briefen, E-Mails und Polizeiprotokollen, setzt sich allmählich ein Bild zusammen, das den Leser am Ende staunend zurücklässt und dazu drängt, bestimmte Szenen ein zweites Mal zu lesen. Dieses Buch hat alles, was eine gute Geschichte ausmacht: Einen packenden Plot, gelungene Identifikationsfiguren, eine herausragende Erzählweise, Spannung und ein überzeugendes Ende, fast eine Erlösung.

Ein Jahr nach Erscheinen wird „Die Deutschlehrerin“ nun mit dem „Friederich-Glauser-Preis“ ausgezeichnet, einem der wichtigsten Preise in der deutschen Literatur-Szene. Zurecht!

Wer noch mehr von Judith Taschler lesen möchte, dem sei „Sommer wie Winter“ empfohlen. Die Österreicherin erzählt hier im Stil eines Heimatromans und stellt eine verletzte Kinderseele in den Mittelpunkt ihres Debüts. Die Handlung legt sie, ähnlich wie später in „Die Deutschlehrerin“ wie eine Collage an: Fünf Mitglieder der Familie Winter erzählen einem Therapeuten ihre Version von einem Unfall und so entblättert sich raffiniert, kunstvoll und auch überraschend die Tragödie dieser Menschen. Zu Wort kommen die Mutter, ihre drei Töchter und der Pflegesohn der Familie, die gemeinsam einen Bauernhof mit Hotel in den Südtiroler Bergen bewirtschaften. Alexander Sommer wurde von der Familie aufgenommen, nachdem ihn seine leibliche Mutter als Baby ausgesetzt hatte. Nun heißt er Winter – Winter wie Sommer. Der Vater, von dem viel die Rede ist, fehlt als Erzähler. Irgendetwas Schreckliches ist passiert, das ahnt der Leser bereits auf den ersten Seiten. Irgendetwas, das die Familie dazu veranlasste, professionelle Hilfe zu suchen. Was, das wird erst ganz am Ende geklärt. Beim Lesen sucht man ständig nach der Lösung, und die von Judith Taschler aufgebaute Spannung entwickelt ihren ganz eigenen Sog. Das Wort Heimat verknüpft sie nicht zwangsläufig mit Liebe, Glück und Romantik, sondern auch mit menschlichem Versagen und tiefem Unglück.

Ganz aktuell ist „Apanies Perlen“ erschienen. In vier Geschichten entfaltet Taschler alle Facetten der Liebe. Von dramatisch über schauerlich bis leidenschaftlich. Und wieder bewahrheitet sich eines: In der Fähigkeit, eine Kurzgeschichte zu schreiben, zeigt sich die Qualität eines Schriftstellers, einer Schriftstellerin. Der Nobelpreis für Alice Munro hat diese, vom breiten Lesepublikum oft geschmähte, literarische Form endlich geadelt. (sst)

Alle Bücher von Judith Taschler erscheinen im Wiener Picus Verlag. „Sommer wie Winter“ auch als TB bei Goldmann. Die Deutschlehrerin. Picus 978-3-85452-692-6. 21,90 € | Sommer wie Winter. Picus 978-3-85452-671-1. 19,90 € | Sommer wie Winter. Goldmann 978-3-442-47833-0. 8,99 € | Apanies Perlen. Picus 978-3-7117-2010-8. 19,90 €

Laufen lernen mit Max Giesinger

23 Mai

album_max2_low„Laufen Lernen“ startet beschwingt mit „Kalifornien“ und augenzwinkernd witzig mit der ersten Single „Irgendwas mit L“. Der überwiegende Teil der dreizehn Songs auf dem Debütalbum von Max Giesinger ist aber – zumindest textlich – eher nachdenklich, melancholisch. Verpackt in schöne, eingängige Melodien mit sparsamer, aber eindrucksvoller Instrumentierung erzählt Singer/Songwriter Max mit seiner warmen, gefühlvollen Stimme von der ganzen Bandbreite menschlicher Gefühle: Freundschaft, Liebe, Verzweiflung, Einsamkeit, Enttäuschung. Die Sprache ist frisch und jugendlich und wenn es um die Liebe geht keinesfalls kitschig, sondern einfühlsam.

Dass dieses Album am 30. Mai nun in den Läden steht, ist nicht selbstverständlich. Der Weg bis dahin war eher steinig und schwer und wurde letztendlich durch die Entscheidung, es mit Hilfe von Crowdfunding zu versuchen, erst möglich. Damit beweisen die Fans und Supporter ein gutes Händchen und Geschmack. Es wäre unverzeihlich, wenn diese wunderbaren Lieder in einer Schublade verstaubt wären. Frei nach dem Motto „Du kannst das“ hat Max sich durchgekämpft, nicht verbiegen lassen und seine musikalische Leichtigkeit wiedergefunden.

Uns gefallen tatsächlich alle Songs auf diesem Album, besonders hervorheben möchten wir als Anspieltipps aber „Mensch ohne Farbe“, das wirklich großartige „Blutsbrüder“, „Wie Helden“ und „Wenn alles verstummt“. Aber hört es euch am besten selber an und findet eure Lieblingssongs. (ima)

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Andreas Bourani: „Hey“ überzeugt mit eingängigen Songs und positivem Lebensgefühl

9 Mai

Nachdenkliche Klavierklänge, leises Geflüster… so klingt der Auftakt zu Andreas Bouranis zweitem Album, „Hey“. Drei Jahre mussten seine Fans warten, und es hat sich wahrlich gelohnt.

Was sanft beginnt, mündet in eine lebensfrohe Ouvertüre mit satten Klängen. „Ich nehm die Kisten voll mit alten Plänen, ich schmeiß sie weg, alles muss raus“, singt Bourani und bekräftigt „Ich bin wieder am Leben“, erzählt von Aufbruch und neuen Wegen. Das klingt so ehrlich und frisch, dass man es ihm sofort abnimmt.

Zur dritten Nummer auf dem Album braucht man eigentlich nicht mehr viel zu sagen. „Auf uns“ wird eh schon in den Radios der Republik auf- und abgedudelt (man kann es aber immer noch hören); der Song schreit förmlich um eine Beschäftigung als Stadion-Hymne oder Schulabschluss-Song. Aktuell ist die Nummer übrigens von 0 auf Platz 1 in die Single-Charts eingestiegen.

Natürlich dürfen auch die obligatorischen Balladen nicht fehlen. Mit butterweicher Stimme schwebt Bourani über den gefälligen, teils akustisch arrangierten Nummern, lädt ein zum Träumen und Mitsingen. Absolut eingängig ist zum Beispiel „Ultraleicht“, das mit softem Schlagzeug, lockerer Gitarre und Pianobase überzeugt. Vom Text ganz zu schweigen – der ist das Sahnehäubchen obendrauf, süß und leicht verdaulich. Im Geiste sieht man da schon die Feuerzeuge über den Köpfen der Konzertbesucher schweben.

Andreas Bourani ist es gelungen, nach drei Jahren eine Scheibe vorzulegen, die den Erfolg seines Erstlingswerk „Staub & Fantasie“ toppen dürfte – und das zu Recht, vermittelt sie doch ein positives Lebensgefühl, ohne ins Seichte abzudriften – dafür sorgen schon die Uptempo-Nummern und die teils melancholischen Texte, die jedoch immer auch Hoffnung beinhalten. (bb)

Von Menschen mit Herzblut für Menschen mit Herzblut: „Seid Ihr Dabei“ von ACHT

2 Mai
Bilder aneinanderreihen

(c) IBO Konzert- und Bandfotografie

Noch 8 Tage bis zur offiziellen Veröffentlichung des zweiten ACHT-Albums „Seid ihr dabei“. Die Münchner Band macht mit einer kreativen Foto-Kampagne auf das Album und die erste Single „Du weißt“, für die gerade ein Video gedreht wurde, aufmerksam.

Die Musik von ACHT ist leidenschaftlich mit virtuosen Gitarren und kräftigem Schlagzeug, sehr rockig, aber trotzdem melodisch und abwechslungsreich. Ausdrucksstark wird das Ganze durch Gil Ofarims markante, raue, gefühlvolle Stimme.

Genau so vielfältig wie Musik und Gesang sind auch die Themen: Es geht um Gesellschaftskritisches, Tagträume, den Mut zu Neuem, das Loslassen, die Liebe und nicht zuletzt die Frage „Wer ich bin“. In den Songs steckt viel Herzblut und Authentizität. Beim Songwriter-Trio Ofarim-Ottl-Ott reimt sich nicht Herz auf Schmerz, es verpackt die Geschichten in kluge Worte, die auch Raum für eigene Interpretationen lassen.

Man sollte sich unbedingt Zeit nehmen, genau hinzuhören.

Gil Ofarim zum neuen Album: „Es steckt viel Herzblut drin, es ist authentisch, ehrlich, kein Kunstprodukt. Wir haben einen Traum, den wir mit unserer Musik leben. Es ist ein Album von Menschen mit Herzblut für Menschen mit Herzblut.“ (ima)

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Album „Seid Ihr dabei“ z. B. auf Amazon
Copyright für die Fotos: IBO Konzert- und Bandfotografie