Archiv | Juni, 2015

Daniel Wirtz: Auf die Plätze, fertig, los

20 Jun

Daniel Wirtz ist den Mosaicpunkt-Moderatorinnen kein Unbekannter. Schon 2012 haben wir über den tätowiert-talentierten Rocker geschrieben, und das – geben wir es zu – ohne sonderlich viel Resonanz. Doch das war gestern. „Auf die Plätze, fertig, los“ heißt sein neues Album, und halb Deutschland scheint schon in den Startlöchern zu stehen, um sich den Silberling zu holen. Grund ist die Fernsehshow „Sing meinen Song“, in der Wirtz als Underdog an den Start ging und mittlerweile alle auf der Ziellinie überholt hat. Und auch der Uralt-Artikel hier auf unserem Blog wird wild geklickt.

An dieser Stelle erlauben wir uns, doch einmal ganz altklug zu sagen: „Wir haben’s doch gleich gewusst, der Junge ist gut!“ Zum Glück kann man das auch von seiner neuen Scheibe sagen. Nach dem saftvoll-kraftvollen Opener, der den Namen des Albums trägt, wärmt „Mantra“ mit eher ruhigen, aber kraftvollen Tönen den Hörer vor. Das Stück entwickelt die für Wirtz typische Sound-Dynamik und bietet sich – hallo, Herr Wirtz, hör’n Sie? – perfekt als Single-Auskopplung an. Ein Ohrwurm, der zum Glück keine aufdringliche Hookline hat, sondern einfach nur Spaß macht. Nächste Nummer, härtere Töne: „Regentropfen“ ist eine Aufforderung dazu, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.

Wer die alten Alben von Wirtz kennt, fängt an, sich zu wundern: Keine Spur von Pessimismus bislang, kein bisschen Depri steckt in den Texten. „Passt Dein Leben in Schablonen, oder hast Du and’re Ambitionen?“, singt der gute Daniel – und beweist mit dieser Kehrtwende einmal mehr, dass er sich nicht nach einem Schema richtet, sondern sein eigenes Ding durchzieht und sich dabei weiterentwickelt.

Ein Hauch von Melancholie weht dann mit „Du fährst im Dunkeln“ durch den Raum. Freundschaft, Drogen, Selbstzerstörung – es scheint, als würde Daniel Wirtz 2015 auf sein Debüt-Album „11 Zeugen“ zurückblicken, auf einen Menschen, der im Sumpf des Lebens gefangen ist, abhängig von vielen Dingen, auch der eigenen Stimmung. Auch hier nutzt der Wortkünstler Daniel Wirtz die für ihn typische plakative Sprache und schöne Metaphern, die das Songkonstrukt saftig und hörenswert machen.

In der Melodik experimentiert Wirtz auf seinem neuen Album mehr, zum Beispiel mit dem verstärkten Einsatz elektronischer Elemente, die den Songs mal mehr, mal weniger guttun. Vor allem eingefleischte Alt-Fans werden sich unter Umständen schwer tun, das neue Werk mit dem „klassischen Wirtz“ zu verbinden. Erste Töne aus den Reihen der Gefolgschaft jammern schon über Oberflächlichkeit, platte Texte und zu viel Mainstream-Kommerzialität. Aber seien wir doch mal ehrlich: Was bedeutet Fortschritt, was bedeutet Weiterentwicklung? Ist ein Musiker, der es in früheren Jahren krachen ließ, vielleicht auch abgerutscht ist und Sinnkrisen hatte, diese in musikalische Ergüsse umsetzte und darüber sang, authentischer als einer, der dasselbe in einer neuen Lebenssituation tut?

Daniel Wirtz geht auf die 40 zu. Vom Wesen her wirkt er geerdet wie eh und je. Der umgängliche Typ, den jetzt ganz Fernseh-Deutschland beim Chillen und Singen in der südafrikanischen Luxusvilla beobachten kann, wirkt nicht anders, nicht aufgeblasener oder aufgesetzter als der alte Dan. Doch Wirtz 2015 ist nun mal ein Mensch, der wie jeder andere auch an Erfahrung dazu gewonnen und sich weiterentwickelt hat. Der Mann wurde kürzlich Vater und testet nun vermutlich das, was man so schön „das bürgerliche Leben“ nennt. Zumindest zu den Zeiten, in denen er nicht gerade im Tonstudio oder auf Tour steckt.

Würde dieser Daniel Wirtz weiterhin über die Themen singen, die er auf „11 Zeugen“, „Erdling“ und „Akustik Voodoo“ aufgriff, wäre er dann noch „authentisch“? Nein. DAS wäre dann aufgesetzt. So verhält es sich anders herum. Das neue Umfeld, die neuen Anforderungen fließen ins Songwriting ein. Das erklärt, warum das neue Album anders klingt. Positiver, offener, nicht mehr so kryptisch. Ob diese Entwicklung gefällt oder nicht – das hängt vom Hörer ab. Manch einer steht an einem anderen Punkt im Leben, manch einer wird von „Auf die Plätze, fertig, los“ natürlich nicht gefangen sein. Andere hingegen werden mit dem „neuen“ Wirtz mehr anfangen können als vorher.

Ansichtssache. Wirtz ist sich mit seinem neuen Werk also treu geblieben. Vielleicht ist mir persönlich ein bisschen zu viel „Bling-Bling“ in Form von elektronischen Experimenten auf der Scheibe, aber ansonsten höre ich das, was ich hören will: Einen Mann mit unglaublich viel Talent, der sein Ding durchzieht, ohne sich groß Gedanken darum zu machen, wer seiner neuen Richtung folgt. Denn ein Künstler schreibt seine Musik in erster Linie für… sich selbst. (bb)dw-klein

Menorca macht süchtig

11 Jun

MenorcaWillkommen in den 70ern. Das könnte das Motto Menorcas sein. Der überwiegende Teil der Urlauber hier sind Briten, dazu kommen Deutsche, Spanier und Italiener. Aber die Briten haben die Insel geprägt – und leider auch das Essen. Allererste Sahne hingegen ist die grandiose Natur, die Erholungssuchende auf dem Eiland vorfinden.

Vier Tage Menorca – reicht das, um die zweitgrößte Insel der Balearen kennenzulernen? Die Antwort lautet: nein. Zum Glück. Denn Menorca macht süchtig, und wer noch nicht alles gesehen hat, hat einen Grund, wiederzukommen. Doch der Reihe nach…

zufahrtVom dösigen Inselflughafen Mahon geht es im Mietwagen hinaus auf Menorcas Straßen. Das Ziel heißt Punta Prima und liegt im äußersten Südosten der Insel. Der Ort hat seinen Namen aufgrund der Tatsache erhalten, dass hier die Sonne als erstes in ganz Spanien aufgeht. Dem Touristen, der das erste Mal in diese Gegend kommt, geht hingegen schlicht und einfach das Herz auf, wenn er über die letzte Hügelkuppe fährt und das verschlafene Nest vor sich liegen sieht – in der Ferne lockt azurblaues Wasser, auf dem weiße Segelboote wie auf einem impressionistischen Gemälde arrangiert sind. Vorgelagert ist auch die „Ille des Aires“, die Insel der Winde. Hier leben sehr seltene schwarze Salamander; das Naturschutzgebiet darf nur mit dem Kanu angefahren werden.

100_2026Das Xaloc Playa ist ein Hotel, das quasi in Pole Position zum Strand liegt. Nur eine kleine Anliegerstraße trennt das Grundstück von weißem Karibikstrand und in unterschiedlichen Blautönen schillerndem, glasklarem Wasser. Die Anlage selbst ist kreisförmig um den großen Garten mit Pool, Minigolfanlage und Billard angelegt. Alles scheint in der Hitze des Tages zu schlafen; mühsam drehen sich die Körper der Hotelgäste auf den Sonnenliegen am Pool.

Prima Punta. Manche würden sagen: Hier ist der Hund begraben. Andere sagen: Das ist das Paradies. Traumstrand vor der Haustür, trotz Hitzewelle und Wochenende niemals überlaufen, Wasser karibisch glasklar, Sand puderzuckerweiß. In diesem Ort gibt es keine Zigaretten. Wer Tabakwaren will, muss nach Saint Lluis fahren, das ist rund 6 km entfernt. Auch am Strand müssen Raucher aufpassen – es gibt ein Gestell mit eistütenförmigen Plastikbehältern, die Raucher mit an den Strand nehmen müssen, um Asche und Kippen reinzuschmeißen. So bleibt der Strand wunderbar sauber.

Den Hang hinauf ziehen sich verschlafen die weißen Häuser; Hauptattraktion des Orts ist der alle paar Tage stattfindende „Markt“ mit Hippie-Schmuck, Pareos und Lederwaren. Fünf Stände, 50 Meter – das war’s. Idylle pur. Bis 21 Uhr. Dann quäkt im Touri-Bunker 50 Meter vom Xaloc Playa entfernt der DJ-Chef-Animateur zur Kinderdisco und dem anschließenden Stimmungsabend mit Bumm-Bumm-Musik und nervigem Gekreische los. Das geht allabendlich bis 23 oder 23.30 Uhr; trotz Ausrichtung zum Innenhof hat man keine Chance, dem Ganzen zu entkommen.

sonnenaufgang-klein6.15 Uhr. Sonnenaufgang. Zumindest einmal sollte man ihn erleben, den ersten Strahl des Himmelsgestirns in ganz Spanien. Langsam schiebt sich die blutrote Sonne über die Ostspitze der Bucht und taucht alles in ein warmes Licht. Der Spaziergang in der milden Morgendämmerung führt am Strand entlang und durch die Straßen zum alten Wehrturm hinauf. Dort sitzen ein paar Teenager und unterhalten sich – offenbar haben sie da oben übernachtet. Das hügelige Hinterland ist dicht mit Bäumen bewachsen; noch schläft der Ort.

11401395_917145521675162_6449939872592325240_nDoch was ist mit dem Plan, Menorca entdecken zu wollen? Wer am Puderzuckerstrand kleben bleibt, sieht definitiv zu wenig von der Insel. Der erste Ausflug führt zu einem kleinen Dorf namens „Binibeca Vell„. Die Siedlung am Hafen wurde vor wenigen Jahren neu erbaut. Der oder die Architekten haben den Stil einem alten Fischerdorf nachempfunden; es ist alles verwinkelt, eng, steil und ungewöhnlich. Das komplette Dorf ist in reinem Weiß gehalten und strahlt vor dem azurblauen Meer ganz wunderbar aus weiter Ferne.

In Binibeca gibt es um diese Jahreszeit auch frisch geschlüpfte Landschildkröten, die wir in einem großen Freigehege mit ein wenig Aufmerksamkeit beim Fressen beobachten können. In einem Restaurant an der Strecke nach Punta Prima halten wir, um ein paar Tapas zu essen. Unser Pech: Es ist ein Fischrestaurant, und der sprachgewandte Kellner kommt erst einmal mit einem riesigen Teller voller frisch gefangener Fische an unseren Tisch, erläutert uns die Sorten und äußert Empfehlungen. Wir entscheiden uns dennoch für einen Salat… Doch einige Leute an den Nebentischen bestellen Frisches aus dem Meer – und das riecht selbst für Veggies sehr lecker nach Knoblauch und Kräutern. Fazit: Wenn jemals doch Fisch, dann hier. Die Qualität hat allerdings auch ihren Preis – selbst beim Salat!

es-grau1Es Grau heißt das große Naturschutzgebiet an der Ostküste oberhalb von Menorcas Hauptstadt Mahon oder Maó. Die Insel ist voller Naturreservate; hier wird darauf geachtet, die Fehler und Bausünden der Nachbarn von Mallorca nicht zu begehen. Vom breiten Sandstrand von Es Grau wandern wir durch ein weitläufiges Gebiet über sonnige Wege, schattige Wäldchen, über lange Holzstege und vorbei an fliegenden Fischen hinauf zu einem wunderbaren Aussichtspunkt mit Blick über Lagunen und Seen. Kakteen mit mehreren Metern Höhe säumen unseren Weg. Zur Belohnung beschließen wir die Wanderung am fast menschenleeren Strand von Es Grau – kristallklares Wasser, sanft abfallender Sandstrand, warmes Wasser…

Am Samstag um 9 Uhr morgens beginnt der große Markt in der menorquinischen Hauptstadt Mahon. Als wir gegen halb zehn in der Tiefgarage direkt am großen Platz ankommen, steht da nur ein Auto außer uns! Auf Nachfrage erklärt die Kassiererin, dass die Leute wohl erst bis in einer Stunde eintrudeln werden… gut für uns! Menorca macht seinem Ruf als ruhige Insel wieder mal alle Ehre. Auf dem Markt gibt es vor allem flippige Hippie-Klamotten, Keramik und Schmuck.

11061963_917145948341786_3786180551707095576_nLetzter Tag der Reise. Nach dem Auschecken aus dem Hotel bleibt noch viel Zeit, mit der „Knutschkugel“, also unserem roten Fiat 500, zwei weitere wunderschöne Flecken zu entdecken. Zunächst auf zu den „Cales Coves„. Hier haben prähistorische Siedler Höhlen in den Fels über der Bucht geschlagen, um ihre Toten zu bestatten. Tausende Jahre später, in den 90ern, kamen dann Späthippies, die die Höhlen besetzten und dort wohnten, bis sie wieder vertrieben und die meisten Behausungen verschlossen wurden. Einige kann man noch besichtigen.

cales2Der Weg zu den Cales Coves führt zunächst über eine enge Straße, dann rund 20 Minuten zu Fuß einen Feldweg durch Gebüsch, Feigenbäume und Schilf hinab zu einer malerischen Bucht, die ein bisschen an Leonardo die Caprios „The Beach“ erinnert. Das Wasser schimmert in allen Blauschattierungen, der Rücken des in der Sonne bratenden Engländers auf einem Felsen am Rand in allen Rottönen. Ruhe, Magie und der Wunsch, es den Hippies gleichzutun und eine Weile hier zu bleiben, machen sich breit. Schnell das Oberteil runter und ins Wasser gesprungen! Wir kommen wieder…

Last Stop. Von den Cales Coves kommend, haben wir erstmal Hunger – es ist schon fast zwei Uhr mittags. Wir lassen uns die Nebenstraßen entlang treiben, bis wir ein Schild Richtung „Es Canutelles“ sehen. Der Blick in den Reiseführer offenbart, dass dort die Einwohner des im Inland gelegenen Dorfes „Saint Climent“ zum Baden gehen. Hört sich gut an – dort gibt es bestimmt auch noch ein Restaurant, das nicht auf Pommes und Bakes Beans spezialisiert ist…

cantuelles2Richtig geraten. Die zweigeteilte Bucht von Es Canutelles ist wunderbar: Zur Linken liegen Boote und ein kleiner Steinstrand, das Wasser ist fast unglaublich hell- bis dunkelblau. Zur Rechten liegt ein extrem flach abfallender Sandstrand, an dem sich Gänse und fast keine Menschen tummeln. Dazwischen, auf der Anhöhe gelegen, hat sich eine Bar angesiedelt, in der wir endlich Tapas bekommen! Während Oliven, Calamares, Pimientos al Padron, Oliven, Brot mit Tomatenpüree und Gazpacho serviert werden, genießen wir den Blick aufs Wasser. Möwen ziehen kreischend ihre Bahnen.

11392796_917145871675127_7080784196338952156_nNach dem Essen wandern wir zur Sandbucht hinab. Hier wird geschnorchelt! Ein im Sand vergrabenes halbes Ruderboot, zahlreiche Seegurken, Seeigel, ein Seestern und Fische von ganz winzig bis mittelgroß tummeln sich im klaren Wasser.

Draußen kommen neue Besucher. Vier junge Frauen im Wanderoutfit lassen sich im Sand nieder, entkleiden sich vollständig und waten durchs seichte Wasser. Vermutlich werden sie vom Restaurant aus fleißig beobachtet. Wir brechen auf. Die Nackten sind wieder aus dem Wasser entstiegen und sitzen in der prallen Sonne. Wir hingegen haben einen Sonnenschirm zu verschenken und halten an, um die jungen Frauen zu fragen, ob sie Bedarf haben.

Die Freude ist groß. Während wir wieder die Kuppe hinaufsteigen, drehen wir uns um. Eine der Nackten versucht, den Schirm in den harten Sandboden zu rammen. Ihr Strandtag liegt noch vor ihnen. Wir hingegen müssen zurück. Zum Flughafen, an Steinkreisen vorbei, zurück nach Deutschland, wo die Temperaturen in der Nacht zum Montag fallen. Auf Menorca hingegen bleibt es warm. Wir kommen wieder – irgendwann… (bb)

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